Am Montag, den 4.4.2022, setzte sich unser Bus pünktlich in Richtung Dresden in Bewegung. Das war nicht selbstverständlich, denn nach Corona und dem Einmarsch Russlands in die Ukraine stand die Fahrt nicht nur einmal auf der Kippe. Umso mehr freuten wir uns, dass es nun endlich mit einer kleinen, aber feinen Truppe losging. An dieser Stelle ein dickes Lob an unsere Mitfahrer!
Gegen Mittag erreichten wir Dresden, wo wir nach einer kurzen Pause in die Innenstadt gingen, um uns die Frauenkirche anzuschauen. Anschließend stand Freizeit auf dem Programm, bevor es nach dem Abendessen eine Vorbereitung auf die kommenden Tage geben sollte.
Dienstagmorgen starteten wir bereits um 7.00 Uhr in Dresden, da wir pünktlich zur Führung um 14.00 Uhr am Stammlager in Auschwitz sein mussten. Nachdem mehrere Sicherheitsschleusen durchlaufen waren, sahen wir nicht nur das berühmt berüchtigte Eingangstor, sondern besuchten mehrere Blöcke, in denen z. B. die Brillen, Koffer oder auch Haare der Menschen, die in Auschwitz ums Leben kamen, zu sehen waren. Besonders eindrucksvoll war Block 21, der von der Holocaust – Gedenkstätte Yad Vashem gestaltet wurde. Hier sahen wir im Eingangsbereich, wie das Leben der Menschen vor der Shoah aussah. Anhand von Filmausschnitten und Bildern aus der damaligen Zeit bekamen wir Einblicke in ein zum größten Teil unbeschwertes Leben: Menschen, die lachten, Ausflüge mit ihren Familien machten, … .
Im ersten Obergeschoß konnte der Widerspruch dazu kaum größer sein, denn dort wurde die Shoah in ihrem ganzen Ausmaß gezeigt. Bilder und Berichte von Zeitzeugen verdeutlichten die Grausamkeiten der Nationalsozialisten, die für uns heute kaum vorstellbar sind. Schweigend ging es wieder nach unten, wo es das „Book of Names“ gab. Nach jüdischem Ritus ist ein Mensch erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen wird und so hat man hier die Namen der Menschen aufgelistet, von denen man weiß, dass sie durch die Shoah ums Leben gekommen sind. Und so suchten die Schülerinnen und Schüler z. B. nach Jeanette Korn, der Mutter von Erna de Vries, die in Auschwitz ermordet wurde.
Der letzte Punkt unserer Führung durch das Stammlager waren die Gaskammer und das Krematorium. Und nicht wenige fragten sich, ob die Kratzspuren an den Wänden der Gaskammer von den Menschen kamen, die dort darin eingeschlossen waren.
Mit diesen eindrucksvollen Bildern im Kopf ging es nach der Führung in unsere Unterkunft, wo wir nach dem Abendessen das Gesehene reflektierten.
Mittwoch konnten wir etwas länger schlafen und fuhren ausgeruht nach Krakau. Nach einer Führung durch die Altstadt und das alte jüdische Viertel Kazimierz ging es in eine alte Synagoge und von dort in Schindlers Fabrik, wo es ebenfalls eine Führung gab. Nach so viel Geschichte brauchte der Kopf ein wenig Pause und so ging es mit der Straßenbahn, in der man uns Deutsche daran erkannte, dass wir als einzige Maske trugen – wieder zurück in die Innenstadt, wo es Zeit für Freizeit war.
Nach dem Stammlager am Dienstag fuhren wir am Donnerstag in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz – Birkenau. Auch hier bekamen wir wieder eine Führung, die uns das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte noch einmal deutlich vor Augen führte. Zwar waren von den Gaskammern und Krematorien nur noch Ruinen übrig, doch durch die Größe des Lagers, die Rampe und die Sauna bekamen wir eine Ahnung, was sich damals abgespielt hat. Besonders beklemmend war der Besuch im Block 25, dem sogenannten Todesblock. Hier lasen wir noch einmal die Worte vor, die Erna de Vries bei ihren Besuchen bei uns in der Schule immer erzählt hat. Nicht wenigen standen in diesem Moment Tränen in den Augen. Zwar haben die Schülerinnen und Schüler, die mit waren, Erna de Vries nicht mehr persönlich kennenlernen können, aber durch die Vorbereitung auf die Fahrt hatten sie ihr Bild und ihre Lebensgeschichte vor Augen. Und nun hier zu stehen und zu sehen, wo sie untergebracht war, bevor sie vergast werden sollte, war sehr emotional. Für viele wurde in diesem Moment noch einmal deutlich, dass Erna de Vries eines der 6 Millionen Opfer werden sollte.
Man sagt, Auschwitz sei der größte Friedhof der Welt. Und wie es auf einem jüdischen Friedhof üblich ist, haben wir hier einen Stein abgelegt – in Erinnerung an Erna de Vries. Ein Bild davon haben wir an Ernas Tochter Ruth geschickt, die sich sehr darüber gefreut hat.
Erna de Vries hat überlebt und sagte immer, dass sie stellvertretend für die vielen Menschen, die in Auschwitz umgekommen sind, ihre Geschichte erzählt. Und dass sie von ihrer Mutter den Auftrag bekommen hat, zu überleben und zu berichten, was man mit ihnen gemacht hat.
In der Nachbereitung des Tages wurde deutlich, dass auch wir alle das Bedürfnis haben, von dem zu berichten, was wir in Auschwitz gesehen und erfahren haben.
Und so ging es Donnerstag Nachmittag nach anstrengenden und auch bewegenden Tagen und sicher auch vielen Gedanken wieder nach Hause, wo wir die Fahrt erst einmal sacken lassen mussten.
Auch wenn es viele Hindernisse gab, die erst beseitigt werden mussten, bevor wir die Fahrt antreten konnten, so war es doch ein besonderes Erlebnis und ich bin froh, dass wir dieses Wagnis eingegangen sind und die Fahrt unter den gegebenen Bedingungen durchgeführt haben!
Bettina Röwe