Zehntklässler sind vorbereitet
16 Jugendliche der Kardinal-von-Galen-Realschule haben am Samstag im Rahmen eines Studientages, gemeinsam mit ihrer Lehrerin Bettina Röwe und mit Franka Aldenborg, Studentische Hilfskraft in der Villa ten Hompel, die Fahrt ins Konzentrationslager Auschwitz vorbereitet.

Du wirst überleben, du wirst erzählen, was man mit uns gemacht hat“, waren die letzten Worte, die Erna de Vries geborene Korn von ihrer Mutter hörte, bevor diese im November 1943 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Die Tochter überlebte den Holocaust, ließ es sich viele Jahrzehnte nicht nehmen, ihre Geschichte zu erzählen. Im Oktober des vergangenen Jahres starb sie im Alter von 98 Jahren.

Auf ihren Spuren wandeln 16 Jugendliche der Kardinal-von-Galen-Realschule, die am Samstag im Rahmen eines Studientages gemeinsam mit ihrer Lehrerin Bettina Röwe und mit Franka Aldenborg, Studentische Hilfskraft in der Villa ten Hompel, die Fahrt ins Konzentrationslager Auschwitz vorbereiten, zu der sie am Montag der kommenden Woche aufbrechen werden.

Von Grund auf lernten sie nicht nur – sofern nicht schon im Geschichtsunterricht geschehen – den Hintergrund der Judenverfolgung und -ermordung während des Dritten Reichs, sondern auch der Entstehung des Vernichtungslagers Auschwitz kennen und stimmten sich auf den Besuch und die Führungen im Stammlager sowie in Birkenau ein.

Sie hörten von Auschwitz als „größtem Friedhof der Welt“, wo zum Gedenken an die Verstorbenen Steine statt Blumen niedergelegt werden, und machten sich Gedanken, wo auf dem Gelände sie „ihren Stein“ ablegen möchten. Dieser Ort war für die einen der Eingang zum Lager als „Tor zur Hölle“ oder der Platz, an dem die Waggons hielten, aus dem die Gefangenen ausstiegen, für andere der „Block 25“, der Todesblock, in dem die Menschen ihre letzten Tage in der Gewissheit verbrachten, sterben zu müssen. Wieder andere planen, ihren Stein irgendwo „auf diesem riesigen Friedhof“ fallen zu lassen.

Immer wieder während des Studientages weist Lehrerin Bettina Röwe auf den freiwilligen Charakter hin. Egal ob es darum gehe, Steine zum Gedenken an die verstorbenen Jüdinnen und Juden niederzulegen, oder um die Teilnahme an der Auschwitz-Fahrt im Allgemeinen. Das sei für die KvG-Realschule, die die Fahrt, abgesehen von der coronabedingten Zwangspause in den vergangenen beiden Jahren, seit vielen Jahren regelmäßig anbiete, immer wichtig gewesen, dass niemand teilnehmen müsse, stellt Röwe klar.

Wichtig ist ihr auch, dass die Jugendlichen gründlich auf das vorbereitet werden, was sie in Auschwitz erwartet und wie sie sich verhalten sollen. Immer wieder weist sie zudem darauf hin, dass die Schülerinnen und Schüler nicht mit dem Geschehen und dem Gesehenen allein fertig werden müssten. Sowohl die Lehrerin als auch Franka Aldenborg stünden stets bereit, wenn jemand Fragen habe oder vor Ort glaube, die Situation nicht aushalten zu können. Auch wenn sie sich gut vorbereitet fühlten, möge das Empfinden am Ort des Grauens ganz anders sein.

Einen intensiven Einblick in die Erinnerungen von Erna de Vries, die bis vor wenigen Jahren regelmäßig auch an der Kardinal-von-Galen-Realschule berichtete, bekamen die aktuellen Zehntklässler, die die Zeitzeugin nicht mehr persönlich erlebt haben, durch den Dokumentarfilm „Ich wollte noch einmal die Sonne sehen“. Der Satz beschreibt den Gedanken von de Vries, die immer wieder betont hatte, dass sie in dem Augenblick, in dem sie glaubte, gleich ihr Todesurteil zu bekommen, nicht verzweifelt gewesen sei, sondern nur noch einmal die Sonne habe sehen wollen.

Aus ihren Vorbereitungen der Auschwitz-Fahrt in den vergangenen Jahren weiß Bettina Röwe, dass diese Stelle in der Autobiografie von Erna de Vries nicht nur bei den Jugendlichen ein Gänsehaut-Gefühl erzeugt. In diesem Jahr fahre lediglich eine kleine Gruppe. Ursprünglich sei die Fahrt für 44 Jugendliche geplant gewesen. Nach dem Einmarsch von Putins Truppen in die Ukraine vor viereinhalb Wochen und einem erneuten Anmeldeverfahren mache sich nun die kleine Gruppe auf den Weg. Die Tour steht nicht nur unter dem Eindruck des Krieges in Polens Nachbarland, sondern auch der Corona-Pandemie und der hohen Infektionszahlen, sodass Röwe hofft, dass bis zum nächsten Montag nichts mehr dazwischen kommt.

Quelle: IVZ, Autorin Frau Ellerich